„Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein.“ Darf ich vorstellen? Barbara, das Schaf. Meine Haare immerhin sehen fast schon so aus. Einstein – von dem stammt das Zitat – wäre angetan, so stelle ich es mir zumindest vor.
Unser Pächter hat mir fünf mutterlose Lämmer anvertraut, die ich jetzt mit Ersatzmilch großziehe. Ein Mutterschaf hat nur zwei Milchzitzen und wenn drei Lämmer geboren werden, kommt immer eines zu kurz. Wird das dann schwach und schwächer, greift der Mensch ein. Das gleiche gilt für Waisenlämmer, wenn die Mutter aus irgendeinem Grund nicht mehr ist.
Nun wohnen also fünf Lämmer in meinem Hinterhof und assoziieren mich mit Futter und Schutz. Wenn ich mit meinem Milcheimer ankomme, gibt es ein entsprechend großes Hallo: Baah!
Ich rufe zurück: Baahhhh!
Und bekomme Antwort: Baaaaaahhhhhhh!
Dann geht die Milch in einen Eimer mit sechs Zitzen und der Streit beginnt. Fünf Lämmer, sechs Zitzen – eigentlich keine Raketenwissenschaft. Aber Lämmer sind halt Lämmer und nicht besonders schlau. Es wird geschubst und geboxt und übereinander geklettert und wenn endlich alle eine Zitze gefunden haben, ist 30 Sekunden Ruhe, dann geht das Klabautern von vorne los. So ähnlich wie in jedem anderen Kindergarten dieser Welt auch.
Alles wäre wunderbar, wäre da nicht Larry, mein Sorgenkind. Er ist krank und hat geschwollene Gelenke. Ein Bakterieninfektion mit Streptococcus Dysgalactiae, die er sich über die Nabelschnur geholt hat. Er hat Probleme beim Gehen und Stehen und ist dem Geschubse beim Trinken nicht gewachsen. Also stehe ich täglich drei bis vier mal jeweils eine Viertelstunde über Larry, schubse die anderen Lämmer zurück und stelle sicher, dass Larry trinkt. Dazu singen die Amseln, die Welt riecht nach Milch und nassen Socken und für ein paar Sekunden weiß ich, was Glück ist.
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